Corona-Variationen

Abraham Peter Kustermann   

Corona-Variationen
Corona L. starb bereits am 14. November 2019, in Passau. Das habe ich erst jetzt erfahren. Ich selber kannte Corona nicht. Sie war Frau eines Freundes aus Studienzeiten, der mir dann aber früh aus den Augen geraten war; erst neulich spann sich wieder ein Faden zwischen uns. Deshalb kannte ich seine Corona („Croni“) auch nicht persönlich, wusste nichts von ihrer beider Heirat und Ehe, nichts von ihrem Leben, nichts von Coronas Tod. Sie starb, siebzigjährig, gänzlich unerwartet an einer post-operativen Embolie, kurz nachdem sie, mit den besten Aussichten auf völlige Genesung, kooperativ und allen Regeln getreu eine längere Rekonvaleszenz bestanden hatte.

 Sie war, wie ich jetzt ebenfalls erfuhr, als Sängerin Säule eines Chors, teils auch seine Dirigentin. Wie wäre die mir unbekannte Corona also wohl zurechtgekommen mit unserer Corona-Pandemie und all ihren Beschränkungen, vor allem dem Bann von Musik und Gesang?

 In der lateinischen Bibel lese ich: Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam vitae – Sei getreu bis zum Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben (Offenbarung 2,10). Wie wäre sie mit dem Wortspiel corona / Krone wohl umgegangen, jetzt? Wieviel Anzüglichkeit hätte sie wegen ihres Namens in diesen Tagen wohl auf sich gezogen, welche Sottisen sich womöglich anhören müssen? Hat sie sich ihres Namens wegen vielleicht selbst mit diesem lateinischen Bibelvers herumgeschlagen? Unheilige Neugier: Trägt sie jetzt eine Krone? Wie mag die aussehen?

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 Manch oiner
ka jetz viel og‘hemmter d’Zäh fletscha

 gega mi

 hinter seinera „Mauldasch“.

 Aber dodafiar

 ka i ehm jetz au

 og‘seha d’Zung rausstrecka

 wia dr Albert Einstein

 hinter meinera.

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Von Aschermittwoch bis Pfingsten eine Internetplattform „Goldene Momente“ der St.-Martinus-Gemeinde: täglicher Austausch von allen möglichen Gedanken und Erlebnissen – vielen „goldenen“, aber nicht nur – zwischen den aktiven Teilnehmern und bis zu hundert Lesern, unter den Gegebenheiten von Corona. Viel Alltag, viel Sorge, viel Zuversicht, wenig frommes Geflöte.

 Die Plattform war natürlich in erster Linie gedacht, die Trübsal und vor allem die Vereinsamung Vieler zu lindern, weniger dafür, Spass zu machen. Das hat sie mir aber auch! Wie sich da einander fremde Menschen in geschützter Anonymität „verschaltet“ haben, einem kollektiven Hirn mit seinen neuronalen Verschaltungen ähnlich oder nach dem Modell einer un-ge-künstelten Intelligenz (no-„KI“), das war schon erstaunlich. Und für Schreiber wie Leser, denke ich, gleichermaßen hilfreich. Ein schätzbarer Mehrwert der „neuen Medien“!

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 Seit d’Leit lauter Maulkörb traget

 sind au d’Hund friedlicher.

 Wahrscheinlich werret se

 seltener bissa

 seither.

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Die Steinsetzungen von Kindern an verschiedenen Stellen unserer Stadt haben mich an die mächtigen Steinsetzungen erinnert, die man vor allem aus Südskandinavien kennt, deren Bedeutung bis heute erstaunlicher Interpretationsbreite unterliegt. Wie immer – die Kinder brachten sich und ihre Bedürfnisse damit unaufdringlich in Erinnerung, brachten (wörtlich gemeint) Farbe an die verwaisten Wege, verwandten anfangs ihren Eifer daran, hatten ihren Spass, und hofften insgeheim wohl auch, irgendwann den Schlussstein setzen zu können: nun ist der ganze Spuk um und vorbei – und aus die Maus!

An Ostern entdeckte ich am Lempenweg einen besonders auffällig beschrifteten und bemalten Stein: „Jesus lebt“. Gerade so, als sei es genau dieser Stein, der von seinem Grab „weggewälzt“ (Markus 16,3f.; Lukas 24,2) worden war.

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 ‘S gibt Leit,

 dena han i sowieso

 nia gern d‘Hand gäba.

 Aber dia jetz am Ellaboga fitschla –

 ha sell dät mr grad no fehla!

 Bloß, wemmer se richtig arempla dürft,

 so dass ‘nes wehtuat!

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 Wenn a paar Schwoba

 a halbe Steinzeit vor Corona

 luschdig (ond durschdig)

 beianander g’hockt sind,

 b’sonders akademisch g‘scheite,

 hend se ihr Kränzle gern fürnehm a „Corona“ g’heißa.

 ‘S hot net obedingt in e‘ra „Krone“ sei miaße.

 Au aus a‘ma „Engel“ oder aus a‘ma „Schwarza Adler“

 oder was der Namen mehr sind

 hot d‘rnoch so mancher

 „oin in der Krone“

 hoimtrage.