Meine Glücksmomente in der Coronazeit


von Uta Palmtag

 

Wir leiden zur Zeit zwar unter diesem gefährlichen Virus, das uns hier, aber auch anderswo, ja auf der ganzen Welt, äußerlich von vielen liebenswerten Menschen trennt, uns dafür aber im Herzen umsomehr miteinander verbindet!

 

Eine junge Frau stellt mir die Lebensmittel, die sie für mich eingekauft hat, neben die Haustüre. Welch ein Glück für mich! Wir freuen uns beide! Liebe Grüße an ihre Eltern, die meine Freunde sind. Beim Spazierengehen auf dem Hasenhof kommt mir eine Frau mittleren Alters, die sich bei ihrer Mutter eingehängt hat, strahlend entgegen. Sie ist zur Zeit daheim, weil die Behinderten-Werkstatt geschlossen hat. Wir kennen uns seit über 30 Jahren! Es läutet an der Haustüre. Eine Jugendliche mit schwarzem Kopftuch überbringt mir liebe Grüße von ihrer syrischen Familie, und eine Schale mit nach Zimt duftendem Reis, Erbsen und Erdnüssen, und wünscht mir gute Besserung! Ich lerne seit drei Jahren mit ihr und ihren Geschwistern. Während ich im Garten mit einer Amsel rede, ruft es vom Gehweg her durch die Hecke: „Hallo, Frau Nachbarin, wie geht´s? Man sieht sich gar nicht mehr! Eigentlich schade!“ Ein anderer Nachbar kommt und hilft mir, fast wie selbstverständlich, mein Computerproblem zu lösen.

Dem abendlichen Glocken-Läuten in der Karwoche höre ich vor der Haustüre zu. Eine Frau bleibt auf dem Gehweg stehen, um auch zuzuhören. Sie wendet sich mir zu und meint: "So schön, dass das Geläut sogar Unbekannte miteinander verbindet!" Eine liebe Freundin, die mit mir aufgewachsen ist, und bis zur Mittleren Reife mit mir nach Stuttgart zur Schule ging, ruft an, um mich auf eine TV-Sendung aufmerksam zu machen. Es hätte mir leid getan, wenn ich "Friedemann Vogel" verpasst hätte!

 

Neulich hat mich eine liebe frühere Kollegin aus der Klingenbachschule Steinenbronn nach Tübingen eingeladen, wo sie wohnt, und wo wir einen wunderschönen Nachmittag, hauptsächlich in der Kunsthalle, verbracht haben. Sie gehört zu einem kleinen Freundeskreis aus Ehemaligen, denen ich, (schon berentet) ein bisschen helfen konnte. Ein liebenswerter Bekannter aus der Musikszene, früher Bratscher im Melos-Quartett und Musikprofessor, meldet sich auch “Uta, wie geht´s? Du bist zur Zeit ja ganz alleine!" Wir kennen uns, seit es die „Waldenbucher Konzerte" gibt.

 

Eine Freundin aus der Glashütte ruft an: “Uta hast du Lust, mit mir ein bisschen an die frische Luft zu gehen?“ Aus Weil im Schönbuch eine liebe Verwandte von Rolf: „Uta, wie wärs, wenn wir ein bisschen zusammen laufen würden?“ Wunderbare Idee: Frische Luft, Bewegung und Gelegenheit zum Schwätzen! Ich freue mich auch sehr, wenn ein Brief, eine Mail oder ein Anruf kommt, mit dem ich gar nicht gerechnet habe, von lieben Menschen, die schon lange meine Freunde sind, die ich aber lange nicht mehr persönlich getroffenen habe, weil sie leider weiter weg wohnen, in Mergentheim, Göppingen, Seißen...

Liebe Freund/innen schicken lustige Geschichtchen oder Videos per WhatsApp. Heute erhielt ich ein wunderschönes Blumenballett, und neulich einen Cellospieler in den Bergen. Eine schnelle Art des Kontaktes. Jeder weiß, dass der andere zur gleichen Zeit über dasselbe schmunzelt oder staunt und sich freut! Eine Freundin, die schon lange mit ihrer Familie in Amerika lebt, und vor einiger Zeit ihren Mann verloren hat, schickt ein Video, auf dem sie selber das „Ave Verum“ von Mozart auf dem Cello spielt! Trotz allem, soviel Lebensmut! Ein ganz besonderes Geschenk!


Von Freiburg kommt in der Karwoche ein kleines Päckle, (mit dem telefonischen Hinweis, aber ja erst an Ostern zu öffnen!) mit einem lustigen, selbstgebastelten Osterhasen, Schokoleckereien und einem lieben Gruß (in Superschrift) von meinem 9-jährigen Enkel! Ich vernehme das leise Klicken des Smartphones. Eine bekannte, liebenswerte tiefe Stimme, sowie das gutaussehende Gesicht eines jungen Mannes tauchen im Video-Gespräch auf. Mein 15-jähriger Enkel aus Hansestadt Hamburg nimmt sich viel Zeit, und macht mir eine große Osterfreude! Besonders freue ich mich auch über die dicken Briefe des allerliebsten Mädchens, das ich kenne, denn sie beinhalten wunderschöne selbstgeschriebene Geschichten, Gedichte und Zeichnungen. Dass sie meine 13-jährige Enkelin ist, ist ein Geschenk des Himmels! Ich bin unendlich dankbar, dass ich so viele Glücksmomente erleben darf durch  so viele, viele liebenswerte Menschen!

GLÜCKSMOMENTE erlebe ich auch durch die ergrünende, erblühende Natur, die Lebendigkeit der Vogelwelt, einen Igel im Garten oder die Besuche einer kleinen Katze!

Ein Glücksmoment ist für mich, wenn ich zur Zeit erlebe, dass die Amseln richtig Frühling feiern: Fast nur noch zu zweit im Gras picken und nach Würmchen suchen, zu zweit Wasser  aus der Schale trinken und zusammen von Ast zu Ast fliegen und sich dabei intensiv unterhalten! Buchfinken, Kohlmeisen und Spatzen veranstalten manchmal ein lautes Unterhaltungskonzert. Dann ist es auf einen Schlag totenstill! Plötzlich schießt eine Elster aus dem Gebüsch über den Garten hinweg. Allmählich zwitschern sie wieder! „Ihr lieben Vögel, Ihr seid sehr schlau!“

 

Ich kann nicht genug bekommen, dem Vogelgezwitscher zu lauschen. Ich erlebe es nicht nur als lebendig, sondern gleichzeitig als sehr aufmunternd, erregend! Durch das anhaltende, gleichmäßige Wechseln der Tonarten und Tonhöhen wirkt es andererseits sehr beruhigend. Mozart, Bach oder auch andere würden sich freuen! Ein wunderschöner Anblick ist der prächtige Magnolienbaum in seiner rosaroten Blütenpracht, leider durch den Nachtfrost allzu früh entzaubert. Unterm Magnolienbaum Tausende weißer Maiglöckchen am Aufblühen, dazwischen rote Tulpen, gelbe Osterglocken und blaue Hyazinthen. Welches Farbenspiel!


Die Wiese hinterm Haus, ein grünes, unruhiges Meer, auf dem Millionen kleiner weißer Boote, in Form von Gänseblümchen, schwanken. Dazwischen ragen einzelne gelbe Löwenzähne mit ihren leuchtend weißen Samenkugeln, als Leuchttürme auf. Weiter entfernt, gelbe, blaue und lila Schiffe: Schlüsselbl., Stiefmütterchen, und Vergissmeinnicht! Beim jedem Spaziergang erlebe ich die Natur im schönsten Hochzeitskleid der weißblühenden Bäume, mit einem bunten Wiesenstrauß. Am Waldrand  größere Grüppchen weißer Annemonen, gefleckter Taubnesseln, auch Hirtentäschelkraut und Knoblauchsrauke! Und über allem der feine Duft der Wildkirschenblüten!

 

Eine tägliche Vor-und Nach-Corona-Freude bereitet mir das kleine schwarz-weiße Kätzchen aus der Nachbarschaft, das ich „Musch-Musch" nenne, mit seinem Besuch. Denn es ist außergewöhnlich höflich, wartet, bis ich es hereinrufe, freut sich über ein kleines Getränk, einige Streicheleinheiten und eine herzliche Unterhaltung! Wie viele Glücksmomente erlebe ich in der aufblühenden Natur, mit ihren wunderbaren Pflanzen und Tieren!